Für uns Ökonomen ist De Grey interessant, weil er in einer sehr frühen Phase eines neuen Kondratieffphase, die mehrer Wellen umfassen könnte, tätig ist. Keine Produkte, keine etablierte Technologie, nur Visionen, viele Feinde, viele Widerstände, Normalität also für jene, die Basisinnovationen angehen. Kein Geld vom Staat, kein Politiker spielt hier mit.
Wir beobachten somit, nicht historisch rückgewandt, sondern in Jetztzeit, wie das Neue, das auf dramatische Weise Andere, vor unseren Augen entsteht.
Auf Deutsch: Überwindung des Todes. Verrückt! Aber jeder Kondratieff ist bei seiner Geburt von dieser verrückten Eigenschaft. Eine Pressenotiz, schon einige Jahre alt, immer noch aktuell, zeigt die zeitliche Dimension, die Unsicherheit, den erforderlichen langen Atem und die Suche nach Geld:
Die Folge der von Aubrey De Grey und anderen Lebensverlängerern anvisierten Innovationen wird sein: chronologisch alte Gesellschaften mutieren Schritt für Schritt in biologische junge Gesellschaften. Und die Gesellschaften werden reich sein, auch ökonomisch. Wenn – ein großes WENN - die Politik, nicht alles verbaselt. Die vorherrschende Inputlogik (mehr Ressourcen = mehr Wachstum) hat schon der junge Schumpeter im Jahr 1910 theoretisch ausgehebelt. Sie ist aber (immer noch) Teil des Mainstreams in Wissenschaft und Politik und herrscht über die Gehirne der Menschen wie die Gene im Affengehirn.
Der Fairneß halber zeigen wir im nächsten Bild auch die Logik von Jay Olshansky, den wir in einem früheren Blog ausführlich vorgestellt haben. De Grey und Olshansky arbeiten mit unterschiedlichen Paradigmen des Alterns, die sich jedoch nicht ausschließen müssen. Aus der Sicht von De Grey bewirken die medizinischen Innovationen, die Olshansky anstrebt, ein (bescheidenes) Hinausschieben der gesunden Lebensspanne (rund 10 Jahre). [2] Dies ist jedoch wichtig für die Sicht von De Grey. Wenn ein Mensch, zum Beispiel 10 oder 15 Jahre, dank medizinischer Innovation, länger gesund leben kann, dann können in dieser Zeitspanne neue Erkenntnisse und Neuerungen tragfähig werden, welche die gesunde Lebensspanne weiter ausweiten könnten. Dies ist der Kern von De Greys und auch Ray Kurzweils Behauptung, die Menschen könnten ihre gesunde Lebensspanne Schritt für Schritt bis zur Überwindung des Todes ausweiten.
Interessant an dem Schaubild von Olshansky ist: Er übernimmt die Vermutung, Kalorienreduktion könnte Krankheiten verringern helfen (früher hat er diese Sicht eher lächerlich gemacht): Fewer calories - less disease. Kalorienverringerung ist bislang die einzige, halbwegs wissenschaftlich gesichert Methode einer gesunden Ausweitung der Lebensspanne. Als wir diesen Blog schreiben, berichtet die FAZ, in einem Gespräch mit Achim Regenauer, Chefarzt Münchner Rück, von Berechnungen, nach denen die Behandlung von Diabetes, verursacht durch Übergewicht, in Deutschland, jährlich 15 Mrd. Euro kostet. [3] Rechnen wir andere Krankheitsbilder, dazu, sind 30 Mrd. keine Phantasiegröße. In einem Interview sagt Ray Kurzweil (die Logik von De Grey ansprechend, ohne ihn namentlich zu nennen):
Unser oben angesprochener Punkt: Neue Technologien vom Charakter von Basisinnovationen machen es - nach Kurzweil, De Grey, Robert Freitas (Nanomediziner) - möglich, irgendwann, „ewig zu leben“. Und für den Grey beginnt das bereits mit Menschen, die jetzt schon unter uns sind: unsere Kinder. Der Unterschied zwischen den Grey und Kurzweil liegt nicht inVision, Konzept und Vorgehen. Kurzweil kommt aus der Informationswissenschaft, De Grey ist Mikrobiologe. Kurzweil sieht die neuen Basisinnovationen umfassender, in einer Weise, die jetzt oft als NBIC (Nano, Bio, Info, Cogno) bezeichnet wird. Kurzweil will unsere Biologie überwinden.
Ein Unterschied zu de Grey also: Für Kurzweil reichen Innovationen in der Biologie nicht aus. In einer Kombination mit Nano- und Informationstechnologie beschleunigt sich Lebensverlängerung.
[1] 1,000-year lifespan a possibility, geneticist says,Last Updated Wed, 16 Feb 2005, CBC News.
[2] Siehe den früheren Blogbeitrag vom 17. Januar 2008, Die Dividende der Langlebigkeit.
[3] Armut macht dick, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14. März 2008, S. 18. Siehe hierzu auch unseren Blog vom 8. Februar 2008, Vom Leben und Sterben im Kalorienkapitalismus.
[4] Tobias Hülswitt, Werden wir ewig leben, Mister Kurzweil, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Bilder und Zeiten, 23. Februar 2008, S. Z6.
[5] Brendan Sinclair, Kurzweil: ‚Exponential’ change ahead for games, people, CNET NEWS.COM, 22. Februar 2008. Die sind Zitate aus einem Vortrag von Kurzweil.
[6] Fight aging, 23. März 2004, The ubiguity of the Tithonus error.
[7] Ronald Bailey, The political economy of the longevity dividend, Future Current, 28. Februar 2008.