Montag, 29. Oktober 2007

Gut gemeint? - Steuerpolitik und Business Angels in Deutschland

von Cord Siemon

Business Angels sind in den letzten Jahren verstärkt in das Bewusstsein der Politik gerückt, wenn es darum ging, die Möglichkeiten auszuloten, Jungunternehmen bei ihrer Suche nach Seed- und Start-up-Kapital zu unterstützen (1). Durch die Errichtung regionaler Netzwerke (Dachorganisation in Deutschland: BAND – Busines Angels Netzwerk Deutschland) wurden die größtenteils altgedienten Unternehmer mit Branchenerfahrung, finanzieller Manövriermasse und Vorliebe für (innovative) Gründungsfinanzierungen zunehmend stärker miteinander verzahnt. Neuere Netzwerke differenzieren die Szene immer deutlicher aus. Das Business Angel Network Europe (BANE), Oberursel, ist auf Wachstumsfinanzierungen und Nachfolgeregelungen durch Internetmaching fokussiert und erweitert das Spektrum um sog. „Working Angels“. Ferner hat das 2005 errichtet Business Angels-Netzwerk Sachsen-Anhalt in Magedeburg bemerkenswerte Beteligungserfolge verzeichnen können (2). Dennoch existieren nach wie vor steuerpolitische Barrieren, welche die Entwicklung einer Business Angels-Kultur in Deutschland (und damit auch die Entwicklungs- und Wachstumsdynamik) behindern.

Seit geraumer Zeit wird insbesondere die 2001 vorgenommene Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze auf 1 % im § 17 EStG als schädlich angesehen, da daraus hervorgeht, dass Veräußerungsgewinne im Rahmen privater Beteiligungen an einer Kapitalgesellschaft (GmbH, AG etc.) auch bei kleineren Anteilsquoten der Steuerpflicht unterliegen (2). Das Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbedingungen (MoRaKG) sollte diesem Missstand entgegenwirken. Demnach war die Erhöhung des Freibetrages für Veräußerungsgewinne nach § 17 Abs. 3 EStG von 9.060 Euro auf 20.000 Euro als gut gemeinter steuerlicher Anreiz für ein größeres Business Angels-Engagement gedacht. Bei näherem Hinsehen erweist sich dies jedoch als Fehlsteuerung, wie Günther und Kirchhof in ihrem Beitrag in der aktuellen Ausgabe des Venture Capital-Magazins erklären (3). Der erhöhte Freibetrag kommt nämlich Business Angels „nur zu dem Anteil zugute, zu dem sie an den Unternehmen beteiligt waren. Bei einem Anteil von 10 % beträgt der Freibetrag also nur noch 2.000 Euro, und er wird nach der weiteren Vorschrift des § 17 Abs. 3 Satz 2 EStG sogar ab 3.160 Euro wieder abgeschmolzen, so dass ab einem Veräußerungsgewinn von 5.610 Euro nichts mehr von dem Freibetrag übrig bleibt. Nach dem Business Angels Panel 2007/I begnügt sich mehr die Hälfte der Engel sogar mit Beteiligungsquoten unter 10 %“. Die im MoRaKG angedachte Verbesserung der Rahmenbedingungen hätte sich, Günther und Kirchhof zufolge, effektiver gestaltet werden können. Demnach „hätten die Investitionen von Busines Angels eine steuerliche Förderung erfahren müssen, die wirklich so genannt werden kann. Z.B. hätte man Veräußerungsgewinne aus Beteiligungen bis 25% oder von Minderheitsbeteiligungen bis 2 Mio. Euro steuerfrei machen können, eine Regelung, die es in ähnlicher Form schon einmal gab. Es bleibt also nur, auf die Zukunft zu hoffen“. (1) Siemon, C.: Unternehmertum in der Finanzwirtschaf: Ein evolutionsökonomischer Beitrag zur Theorie der Finanzintermediation, Norderstedt/Marburg, 2006. (2) Günther, U. und Kirchhof, R.: Enttäuschte Hoffnungen – Die aktuelle Situation der Business Angels in Deutschland, Oktober-Ausgabe 2007, S.78-79. (3) Siemon, C.: Innovations- und Gründungsfinanzierung: Zur Koexistenz informeller und formeller Finanzierungsnetzwerke, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 2007, S. 191-193. (4) Günther, U. und Kirchhof, R.: Enttäuschte Hoffnungen – Die aktuelle Situation der Business Angels in Deutschland, Oktober-Ausgabe 2007, S.78-79.

von Cord Siemon
29.10.07 19:02 (Übernommen am 25.11.2007)

Mittwoch, 24. Oktober 2007

Exlenzinitiative Genentech

von Jochen Röpke

Die Sieger sind bekannt. Runde 2 des Wettbewerbs ist abgeschlossen. Ob es für Forschung und Entwicklung etwas bringt, weiß niemand. Wir haben nicht sehen können, daß die Anträge und die Auserwählten und die Juroren auf das geschaut hätten, was einzig auf Dauer zählt: Was geschieht mit dem Wissen, erzeugt mit und ohne Exzellenz - und meistens, fast immer, zählt nur Letzteres? Geht es in die Wertschöpfung ein? Greifen Unternehmer es auf, um dann Innovationen, neue Märkte, Arbeitsplätze und Steuereinnahmen zu schaffen? Nobelpreise an sich bringen nichts, wenn Forschungserkenntnis als totes Wissen dahinsiecht. Wir konnten bislang nicht erkennen, daß sich die Verantwortlichen jenseits einer Humboldtschen Logik der Universität konzeptionelle Gedanken gemacht und in exzellenzinitiative Anträge integriert hätten. Beobachter sehen sogar Humboldt als amputiert, angesichts der bescheidenen Ressourcenwidmung für die Lehre. Eine „unternehmerische Universität“ bleibt exzellenzinitiativ ein institutioneller Nobody.

Nur für den Einäugigen ein Zufall: Heike Schmoll berichtet über die „Sieger“ und ihren Jubel:[1] Wir sind die Besten (im Sport als „VfB-Stuttgar­t-Syndrom“ bekannt). Im Wirtschaftsteil der gleichen Zeitung vom selben Tag ein Bericht über das Elend der deutschen Biotechbranche.[2] Homepage Bundesregierung: „Auf dem Gebiet der Biotechnologie ist Deutschland führend“. Das übertrifft sogar noch George W. Bush, was schwierig, aber wie wir freudig erkennen, durchaus machbar ist: „Die Franzosen haben kein Wort für Entrepreneur.“ Die Deutschen (eine Teilmenge: Mitglieder der politischen und dieser zuarbeitenden Klasse) sind gute Erfinder („führend“, die Anmeldung beim Patentamt läuft. Die Regierung darf sich trösten: Über 90 Prozent der Patente kommen über das Patentamt nicht hinaus. Wenn die Regierungserfindung wie bisher schon, auch in Zukunft nicht läuft, niemand juckt es. Wer andererseits jenseits des politischen Milieus erfindet, gar innoviert, insbesondere, wenn er Wissenschaftler ist, bleibt im Regen stehen. Eine unternehmerische Universität, welche Wissenserzeugung & Lehre & Unternehmertum & Kompetenzentwicklung (nicht –abbau) symbiotisch verknüpfte, wäre einer exzellenzinitiativen Förderung wert. Was jetzt läuft ist 19. Jahrhundert. Die Amerikaner, wenn sie sich arbitrageökonomisch nicht selbst austricksen, und die Chinesen, wenn sie nicht anfangen, das zu machen, was der westliche Besserwisser ihnen als Weisheit verkauft, und der Finanzminister, der das 19. Jahrhundert finanzieren muß, werden uns dafür abstrafen.

Was hat das mit Genentech zu tun? Eine zutiefst kapitalistische Firma. Eine durch und durch Spitzenforschung betreibende Unternehmung: Genentech: a biotechnology research company.[3] Eine Biotechfirma, die das Mehrfache an Produkten, Umsatz, Arbeitsplätzen und Steuerzahlungen hervorbringt, als sämtliche deutsche Biotechfirmen zusammen, die ihren hochqualifizierten und exzellent bezahlten Mitarbeitern („Genentech offers the best opportunity to build your career in biotechnology. It demands the best from its employees and rewards them accordingly”: Nur niedrige Löhne sichern Arbeitsplätze),[4] Forschungsfreiräume und Zeitspielräume gewährt, die es an deutschen Universitäten mit und ohne Exzellenz nicht mehr gibt, eine Exzellenzinitiative, die es zu kopieren gilt. Wir müssen den deutschen Biotechunternehmern dankbar sein, welche es unter den hiesigen rechtlichen, institutionellen und fiskalsstaatlichen Beschränkungen überhaupt so weit gebracht haben. Immerhin arbeitet der Bundesfinanzminister („Ich“ daran, die Finanzierungsspielräume für die Branche und anderen auf Forschungswissen angewiesenen Unternehmen nicht einfacher zu machen.[5] Wir schlagen ihm vor, seinen nächsten Urlaub nicht im südwestafrikanischen No-Tech-Milieu mit der Beobachtung von Giraffen zuzubringen, vielmehr einen Ausflug nach Shanghai zu machen, wo sich Biotechtiger in freier unternehmerischer Wildbahn beobachten lassen, um dort die These seiner Regierung zu überprüfen: „Auf dem Gebiet der Biotechnologie ist Deutschland führend.“

Als Exportweltmeister kann uns nichts umbringen. Der Eurokurs nicht, die EU-Bürokratie nicht, die Chinesen nicht, und „Ich“ so wie so nicht - falls man zu den Dax-Unternehmen gehört. Andererseits stellt sich die Frage, von was wir in einer Generation leben wollen, wenn die Produkte (Altinnovationen) nicht mehr laufen, die uns heute die Chinesen, Inder, Russen usw. noch aus den Händen reißen. Was leisten die Exzellenzuniversitäten für unseren zukünftigen Wohlstand?


[1] Heike Schmoll: Die Projekte der Gewinner, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22. Oktober 2007, S. 4.

[2] Judith Lembke, Unterfinanziert, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22. Oktober 2007, S. 13.

[5] Ute Günther und Roland Kirchhof, Enttäuschte Hoffnungen, Venture Capital Magazin „Start-up 2008, S. 78-79.

24.10.07 11:01 (Übernommen am 25.11.2007)