Dienstag, 14. August 2007

Medizinische Innovationen verlängern das Leben

von Jochen Röpke Zwischen den Ausgaben für Gesundheit (privat, staatlich) und der Lebenserwartung besteht ein starker Zusammenhang. Wie er sich erklären lässt, ist offen. Der amerikanische Ökonom Frank Lichtenberg ist für die USA dieser Frage nachgegangen Er hat zu diesem Zweck die Lebenserwartung in den amerikanischen Bundesstaaten mit einer Zeitkomponente in Zusammenhang gebracht: Wie lange dauert es, bis von der Zulassungsbehörde FDA (Federal Drug Administration) genehmigte neue Arzneimittel und Behandlungsmethoden in den einzelnen Bundessstaaten für Patienten zur Verfügung standen (In den USA haben die Bundesstaaten einen Einfluss auf die Verfügbarkeit von Medikamenten: sie werden von der Bundesbehörde genehmigt und von den einzelnen Ländern zugelassen). Zur Überraschung von Lichtenberg (nicht unserer) entdeckte er einen direkten Zusammenhang zwischen Verfügbarkeit und Lebenserwartung: Je zeitiger ein neues Medikament verfügbar ist, desto länger leben die Menschen im Durchschnitt (1,2,3). Eigentlich plausibel, wenn man die Sache innovationslogisch betrachtet. Die Kritiker an den Pharmaunternehmen haben 1001 Gegenargumente. Viele mendeln sich wechselseitig aus – wie medizinaler Schrott mit FDA-Siegel. Historisch betrachtet sind sie belanglos. Man gehe ins 17. und 18. Jahrhundert zurück, als die industriell-medizinische Revolution gerade erst anlief, unterwerfe die Menschen dem medizinischen Reparaturregime der damaligen Zeit, und beobachte, wie lange sie leben. Fazit: Auch die Elite der politischen, religiösen und wirtschaftlichen Klasse jener innovationsarmen Zeit bringt es bei weitem nicht auf die Lebenserwartung eines zeitgenössischen Prekariatsmenschen. Welche medizinische Innovation tragfähig ist, weiß niemand zur Genüge. Was wir wissen ist: Qualität setzt sich durch. Wenn wir die Verfügbarkeit neuer Methoden verringern, selektieren wir auch jene Innovationen aus, die einen wirklichen medizinischen Fortschritt, eine echte Innovationsleistung, ausdrücken. Lichtenberg findet: „Inkrementelle medizinische Innovationen, insbesondere der Gebrauch von jüngeren Arzneimitteln, haben eine beträchtliche Rolle bei der Steigerung der amerikanischen Lebensverlängerung gespielt.“ Lichtenberg untersucht verschiedene Einflussfaktoren: Innovation; Verhaltensrisiken (Übergewicht, Rauchen, Aids); andere Variable (Erziehung, Einkommen, Zugang zu Krankenversicherung). Offensichtlich steigt die Lebenserwartung in Staaten mit höherer Aidsinzidenz, höherem Übergewicht und mehr Rauchen. Weniger Aids und Rauchen sind für sechs bzw. drei Prozent der Lebenserwartung verantwortlich. Fast Zweidrittel (63 Prozent) der Verlängerung der Lebenserwartung im Untersuchungszeitraum (1991-2004) lässt sich der Verwendung neuerer Arzneimittel zuschreiben (Lichtenberg spricht von einem „potentiellen Anstieg“ der Lebenserwartung: jener Anstieg, der sich eingestellt hätte, wenn Fettleibigkeit/Übergewicht, Einkommen und andere Faktoren sich nicht verändert hätten). 28 Prozent des Anstiegs der Lebenserwartung bleiben unerklärt. Für jedes Jahr einer rascheren Verfügbarkeit von medizinischen Innovationen steigt die Lebenserwartung um zwei Monate. Je jünger das Durchschnittsalter von neuen Arzneimitteln, desto größer ist die Erhöhung der Lebenserwartung. Was solches für die Verwendung sog. generischer Arzneimittel bedeutet bzw. dem Hinausschieben der Verschreibung neuer Arzneimittel, überlassen wir der Meinung des Lesers. Unsere Schlussfolgerungen: 1. Wer das Leben verlängern bzw. die Leberwartung erhöhen will, setzt auf medizinische Innovation. 2. Sie/Er müsste des Weiteren die Lücke zwischen Wissen und Tun klein halten (Lichtenberg nennt es einen „increase gap“: die Lücke zwischen Staaten, welche Neuerungen zügig übernehmen, und jenen, die nachhinken), also die Umsetzung neuen Wissens fördern. 3. Er müsste neue Unternehmen unterstützen bzw. ihnen keine Steine in den Weg legen, denn es sind neue Unternehmen (start ups), welche die wirklich innovativen Arzneimittel und Behandlungsmethoden entwickeln; bestehende Unternehmen versuchen sich eher in der Modifikation bereits eingeführter Produkte oder in marginalen Neuerungen und/oder kaufen sich in Innovatoren ein. 4. Eine Hochrechnung der Zukunft (50 Jahre plus): Gentherapie, Stammzellen und Nanomedizin stoppen eines Tages den Alterungsprozess weitgehend oder kehren ihn sogar um. Ave Schumpeter, die Unsterblichen grüßen Dich. (1) Frank Lichtenberg, Why has longevity increased more in some states than in others? The role of medical innovations and other factors, Manhattan Institute of Policy Research, 4. Juli 2007 (2) Lichtenberg, Yes, new drugs save lives, Washingtonpost.com 11. Juli 2007 (3) Future Pundit, 21. Juli
14.8.07 12:36 (Übernommen am 25.11.2007)

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